Interview mit Sinan Ünlühan

Sinan Ünlühan fährt seit 13 Jahren Taxi. Vor acht Jahren hat er das Familienunternehmen als Unternehmer und Geschäftsführer übernommen. Fast 50 Beschäftigte arbeiten für ihn.

Herr Ünlühan, wollten Sie Taxi fahren schon immer zu Ihrem Beruf machen und was gefällt Ihnen daran besonders?

Ich bin mit dem Taxi groß geworden. Schon als junger Student habe ich im Taxi gesessen und die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt. Mit der Zeit hat sich da eine Art Sucht entwickelt. Die Vielfalt der Gesellschaft bei sich im Auto willkommen zu heißen und die unterschiedlichsten Geschichten zu hören ist das Besondere, welches das Taxifahren mit sich bringt.

Haben Sie manchmal auch Angst? Insbesondere nachts ist die Gefahr durch betrunkene und aggressive Fahrgäste sicherlich hoch?

Angst ist relativ. In den ersten Jahren hat man die durchaus. Es sitzen dann immer wildfremde Menschen auf engstem Raum, keiner weiß, wer der andere ist. Mit der Erfahrung lernt man aber, wie man mit verschiedenen Menschen und Situationen umgehen muss. Damit hält sich der Anteil der Touren, die einem ein mulmiges Gefühl geben, im Rahmen. Allerdings haben wir festgestellt, dass gerade nach der Pandemie das Verständnis der Menschen füreinander stark abgenommen hat. Dies hat zur Folge, dass wir in den letzten Jahren vermehrt Eskalationen gegenüber dem Fahrpersonal verspüren. Leider ging das in dem einen oder anderen Fall nicht gut aus.

Das heißt, Sie haben bereits selbst Gewalt erleben müssen?

Leider ja. An einem Sonntagabend zum Beispiel wurde ich zu einer Pizzeria gerufen. Dort angekommen setzte sich der Fahrgast direkt hinter mich. Dies war bereits zu diesem Zeitpunkt ein Alarmsignal für mich. Ich bat den Fahrgast sich nach vorne zu setzen. Dieser weigerte sich vehement. Daraufhin bat ich um Abbruch der Tour und öffnete die Türen, damit er aussteigen konnte. Leider griff er mich daraufhin körperlich an und verletzte mich am Kopf. Der Täter wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, denn der Auslöser war in den Augen des Gerichts ein niederer Beweggrund.

Als Taxifahrer sind Sie Zeuge von glücklichen wie traurigen Lebensmomenten der Fahrgäste und erfahren viel über die Stimmung der Menschen. Hat sich diese nach Ihrer Einschätzung insgesamt verändert?

Das sind natürlich die Höhen und Tiefen unserer Branche. Sie erleben von der Geburt eines Kindes bis zum Ableben eines geliebten Familienmitgliedes jegliche Emotionen der Gesellschaft. Allerdings ist subjektiv wahrnehmbar, dass sich das allgemeine Miteinander leider verschlechtert. Wie bereits erwähnt, ist das respektvolle gegenseitige Verständnis stark gesunken, und hiermit sind nicht nur Kunden, sondern auch Kollegen gemeint. Das bemerke ich durch die Erlebnisse oder Vorfälle, die von Kunden und Kollegen mitgeteilt werden.

Gibt es häufiger Versuche, die Bezahlung zu verweigern oder Streitigkeiten darüber?

Leider ist auch hier ein starker Anstieg spürbar. Wir haben in den letzten 5 Jahren etwa 40% mehr Fälle des Zahlungsausfalls bzw. der Verweigerung. Allein letztes Jahr hatten wir 16 Fälle bei etwa 150.000 Fahrten. Zum Vergleich waren es 2018 noch 10 Fälle bei ähnlichem Fahrtenaufkommen.

Was können Sie als Unternehmer für mehr Sicherheit Ihrer Beschäftigten tun?

Schulen, schulen, schulen! Wir haben es intern zur Regel gemacht, dass wir kontinuierliche Schulungen mit unserem Personal durchführen. Hier legen wir großen Wert auf die Kommunikation mit den Fahrgästen. Auch Deeskalationstrainings und gezielter Umgang mit potenziellen Gefahren steht auf dem Programm. Es lässt sich oft ein Großteil der Eskalationen mit geschicktem Vorgehen noch vor der "Zündung" beruhigen. Um das allerdings zu lernen, bedarf es einer sehr umfangreichen Erfahrung mit solchen Themen. Hier setzen wir gerne auf die Hilfe von Experten.

Ist es Ihnen wichtig, Gewaltvorfälle zur Anzeige zu bringen?

Ohne Wenn und Aber, ja. Es muss den Menschen klar werden, dass jede Art von Gewalt Konsequenzen hat. Einfach davonkommen dürfen solche Menschen dann nicht, denn sie würden nicht aus den Fehlern lernen. Damit würde die Hemmschwelle für Gewalt weiter sinken. Das darf nicht sein. Wir waren bis dato auch sehr erfolgreich, wenn es um die Verfolgung solcher Straftaten geht. Es hat keiner das Recht unserer körperlichen Unversehrtheit zu schaden!

Was wünschen Sie sich von den Fahrgästen?

Einfach mehr Verständnis. Gerade im urbanen Bereich kann es unter Umständen mal stressig werden. Alle meine Kollegen sind auch nur Menschen. Meist ist ein Fehler Auslöser für ein Problem, aber wir sind auch nicht perfekt. Und durch Kommunikation sind oft viele Probleme beseitigt, bevor sie entstehen.

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